Viktoria News
Ein Kahler Sandhase gräbt sich durch verdichtete Böden
23. Januar 2019

Interview mit Benni Hotz: Viktorias sportlicher Leiter hat nach knapp einem Jahr im Amt die Regeln im harten Regionalliga-Business längst verinnerlicht – „Möchte in erster Linie durch meine Arbeit überzeugen“

Mit leichter Skepsis – so der gebürtige Mömlinger – sei ihm Coach Jochen Seitz anfangs begegnet, als er im Juli 2017 die neu geschaffene Stelle des Sportkoordinators der Aktiven im Kompetenzteam-Sport angetreten hatte. Dies ist nur eine der Anekdoten aus dem weiß-blauen Kosmos, mit denen Benni Hotz während seines ersten Interviewtermins seit Amtsantritt im gut besuchten Aschaffenburger „Schlappeseppel“ aufwartet. Wir haben Benni oder Hotzi, wie er sich von Freunden gerne nennen lässt, beim Lokaltermin auf Herz und Nieren überprüft und auch nicht den geringsten Anfangsverdacht entdeckt, auf den sich solch eine Skepsis gründen ließe. Gegen die alkoholbeschwingte Feierabendstimmung setzt Benni gezielte verbale Konter wie „Ich möchte in erster Linie durch meine Arbeit überzeugen“. Das haben zugegebenermaßen schon viele gesagt, aber Benni ist nun mal einer, dem man unbedenklich aufs Wort glauben darf.[caption id="attachment_20410" align="alignleft" width="600"] Benedikt Hotz steht seit Februar 2018 als Sportlicher Leiter bei Viktoria Aschaffenburg in der Verantwortung (© Moritz Hahn)[/caption]
Benni, knapp ein Jahr ist jetzt vergangen, seit Du das Amt des sportlichen Leiters bei der Viktoria angetreten hast. Träumst Du in stressigen Zeiten noch manchmal von Kahler Verhältnissen?Ich habe das Amt bekanntlich im Februar 2018 von Eric Rasp übernommen. Zunächst einmal: Völliges Neuland war das für mich damals nicht. Bei Viktoria Kahl war ich zuvor eineinhalb Jahre in einer Doppelfunktion als Aktiver und sportlicher Leiter tätig. Von der Sache her war das also nichts Neues, sieht man einmal vom Klassenunterschied Landesliga/Regionalliga ab. Natürlich sind die Anforderungen, was die Spielerakquise betrifft, in der Regionalliga höher. In der Landesliga schaut man eher lokal, man kennt die Spieler, hat gegen sie eventuell schon einmal gespielt und versucht sie dann beispielsweise nach Kahl zu lotsen. In der Regionalliga, wo das spielerische Niveau höher ist, genügt das naturgemäß nicht. Hier musst du gezielt Spieler ansprechen, zu denen du unter Umständen keinen Bezug hast und die nicht unbedingt aus deinem Umfeld kommen. In der Regionalliga ist das viel aufwändiger, denn man hat es in der Regel mit Spielerberatern zu tun. Ohne die Berater ist es oft schwierig, überhaupt an Spieler heranzukommen. Du kriegst Spieler angeboten oder du musst selbst Spieler scouten, analysieren und dich informieren, um dann über die Berater in Kontakt zu treten. Es gilt die Rahmenbedingungen abzustecken, unter denen ein regionalligatauglicher Spieler bereit wäre, bei uns zu spielen. Es ist alles professioneller als in der Landesliga, aber anspruchsvollere Aufgaben sind ja auch mit mehr Spaß verbunden.Wie läuft eine Spielerverpflichtung im Detail ab?Am Anfang steht natürlich das Scouting. Wir haben daher zu Beginn der Saison noch Simon Goldhammer dazu geholt, der auf fremden Sportplätzen unterwegs ist und sich Spiele und Spieler anschaut. Bei einem positiven Eindruck spricht er dann eine Empfehlung aus und unterrichtet uns über die Stärken und Schwächen des Spielers. Ich weiß, dass ich mich auf Simon hundertprozentig verlassen kann. Dennoch: Wann immer es mir möglich ist, sehe ich mir den betreffenden Spieler selbst an. Wenn das Interesse konkret ist, ist auch Jochen beim Kontakt dabei. Der umworbene Spieler kann dann gleich sehen, wie der Trainer tickt, welche Spielphilosophie er hat und ob die Chemie stimmt. Umgekehrt gewinnt auch der Coach einen ersten Eindruck vom Spieler. Wenn es noch nicht so konkret ist, führe ich die Erstgespräche alleine und bekunde zunächst einmal das Interesse des Vereins. Wenn sich eine Einigung anbahnt und wir in die Vertragsverhandlungen eintreten, kommt dann natürlich zur Regelung des Finanziellen Manfred hinzu.Jochen und Manfred sind demnach die Personen im Verein, zu denen Du den intensivsten Kontakt pflegst?Der Austausch mit Jochen ist natürlich sehr groß. Wir sind auf einer Wellenlänge. Ich muss dazu sagen, dass ich, als ich zur Viktoria kam, nur Gerry Mai flüchtig kannte, mit Jochen hatte ich bis dahin noch keinerlei Berührungspunkte. Relativ schnell stellte sich heraus, dass die Chemie stimmt und wir eine Sprache sprechen. Natürlich gibt es hier und da auch mal Meinungsverschiedenheiten, die wir aber immer auf dem Wege einer konstruktiven Diskussion zu klären versuchen. Es herrscht ein ausgesprochen harmonisches Verhältnis zwischen Vorstand, Trainerteam und Mannschaft, das nach außen wirkt und sich in unserem momentanen sportlichen Auftreten positiv niederschlägt. Das gute Klima bringt mich persönlich, aber auch fachlich voran, denn gerade von Jochens Erfahrung im Profibereich kann ich eine Menge lernen. Was die Zusammenarbeit mit dem Vorstand betrifft, so ist es Manfred, mit dem ich am meisten zu tun habe. Eric, der das Ressort Organisation (z.B. Termine) verantwortet, ist natürlich nahe an uns dran, aber auch Holger, der für uns wichtige Kontakte knüpft. Ich erinnere nur an das Trainingslager im Klingerhof. Mit beiden verbindet mich zudem eine Freundschaft.Ein Thema, das ein bisschen in Vergessenheit geraten ist: Was gibt es eigentlich zu vermelden von der medizinischen Kooperation mit dem Klinikum Aschaffenburg und PhysioAktiv in Großwallstadt?Die Zusammenarbeit mit dem Klinikum läuft ja schon seit letztem Jahr. Damals steckte das noch so ein bisschen in den Kinderschuhen. Zunächst mussten die gegenseitigen Erwartungen abgeklärt werden. Wir hatten dann Ende letzter Saison ein sehr fruchtbares Gespräch, das der Fehleranalyse und nachfolgender Lösungsfindung diente. Was die gleichzeitige Kooperation mit der Physiopraxis Björn Müller/Daniel Rung angeht, so greift hier ein Rädchen in das andere. Es herrscht ein reger Informationsaustausch und man ergänzt sich. Die Physiotherapeuten richten ihre Behandlung nach der Diagnose des Klinikums aus. Umgekehrt lernt das Klinikum auch von der Physiopraxis. Beide Parteien haben sich schon persönlich kennen gelernt und sich ausgetauscht. Man kann dies als klassische Win-win-Situation bezeichnen. Nutznießer ist der verletzte Spieler, der eine schnelle und effektive Behandlung erfährt. Bei schweren Verletzungen bekommen die Jungs im Klinikum zügig MRT-Termine und die entsprechenden Bilder zur Verfügung gestellt.Mit den Vertragsverlängerungen von Simon Schmidt und Clay Verkaj habt ihr ja gerade erste Schritte in Richtung Kaderplanung für die kommende Saison unternommen. Was ist als nächstes geplant?Wir werden nach und nach mit allen Spielern, deren Vertrag in dieser Saison ausläuft, das Gespräch suchen. Mit Simon Schmidt und Clay Verkaj, deren Vertragsverlängerungen bereits vollzogen wurden, sind es neun Spieler, die bislang für die kommende Saison einen gültigen Vertrag haben. Das sind namentlich neben den bereits Genannten Björn Schnitzer, Hamza Boutakhrit, Michél Harrer, Lucas Oppermann, Daniele Bruno, Max Grünewald und Ugurtan Kizilyar. Was Neuverpflichtungen in der Winterpause angeht, so sehen wir derzeit keinen unbedingten Handlungsbedarf. Wenn uns jemand, der uns sportlich weiterbringt, vom Charakter her ins Konzept passt und auch noch finanzierbar ist, über den Weg laufen sollte, möchte ich aber auch nicht völlig ausschließen, dass wir noch mal tätig werden.[caption id="attachment_20433" align="alignright" width="200"] Benedikt Hotz[/caption]Vielleicht ein paar Worte zum bevorstehenden Testspielprogramm. Die schweren Brocken in Gestalt von drei Südwest-Regionalligisten kommen da zuerst. Wäre es nicht sinnvoller, den Schwierigkeitsgrad sukzessive zu steigern?Die Problematik ist einfach, dass die Südwest-Regionalligisten eine Woche früher als wir wieder anfangen und dementsprechend schon eher in die Vorbereitung starten. Das letzte Spiel der Vorbereitung war für uns am schwersten zu besetzen, weil zu diesem Zeitpunkt alle Regionalligen und die Hessenliga schon wieder den Spielbetrieb aufgenommen haben. Da noch einmal einen namhaften Testspielgegner aufzutreiben, gestaltete sich sehr schwierig. Aber ich denke, dass Haibach zum Abschluss noch einmal ein guter Test ist. Die Reihenfolge der Gegner ist also nicht bewusst gewählt, sondern wurde uns vom Vorbereitungsstand anderer Mannschaften mehr oder weniger diktiert. Testspiele sollen Wettkampfbedingungen simulieren, vor diesem Hintergrund kann man unser Testspielprogramm mit drei Regionalligisten, einer Bayernliga-Spitzenmannschaft (Großbardorf), einem Landesligisten (Haibach) und einem Bezirksligisten (Vatanspor) guten Gewissens als praxisnah bezeichnen.Du bist in der Öffentlichkeit noch nicht so in Erscheinung getreten wie manch anderer. Würdest Du Dich selbst als zurückhaltend bezeichnen?Ich will mal so sagen: Ich muss nicht im Vordergrund stehen. Ich hab kein Problem damit, in der Öffentlichkeit zu stehen, aber meine Philosophie ist es, meinen Job für meine Viktoria bestmöglich zu machen. Das soll einfach nur positiv wahrgenommen werden. Wenn jemand Fragen zu meiner Person und zu meiner Meinung hat, so kann er die gerne stellen. Ich bin im Moment noch dabei, in die bei der Viktoria breitere Öffentlichkeitswahrnehmung hineinzuwachsen. In Kahl lief alles ein ganzes Stück intimer ab. Von falscher Bescheidenheit will ich bei mir also nicht reden, eher ist es so, dass ich in erster Linie durch meine Arbeit überzeugen will. Im Übrigen haben wir ja mit Jochen einen ausgesprochenen Medienprofi, der allein schon aufgrund seines Namens zum Aushängeschild der Viktoria prädestiniert ist.Wie würdest Du die Ziele Deiner Arbeit formulieren?Ich habe ja noch Vertrag bis Ende nächster Saison. Meine Intention ist, die Viktoria mit meiner Arbeit ein Stück weiter zu bringen. Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen, die realistisch sind. Das ist in diesem Jahr der Klassenerhalt. Mit den finanziellen Gegebenheiten haben wir meiner Meinung nach eine sehr gute Truppe zusammengestellt, die definitiv in der Regionalliga konkurrenzfähig ist. Die letzten Prozente kitzeln dann noch Jochen und sein Trainerteam aus der Mannschaft heraus. Es ist ja kein Geheimnis, dass bei uns keiner Vollprofi ist, vom Fußball leben kann bei uns niemand. Wir müssen situationsbedingt sehen, was wir einem Spieler anbieten können, damit er bei uns spielt. Mal eben während der Runde fünf gestandene Spieler zu verpflichten, wie etwa der SC Hessen Dreieich, das wird für uns in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Vor diesem Hintergrund verdient die am Maximalprinzip orientierte Arbeit des gesamten Trainerteams höchsten Respekt.Welches waren die Höhepunkte in Deiner bisherigen Amtszeit?Zunächst einmal das Vertrauen, das mir von Seiten des Vorstands und des Trainerteams entgegengebracht wurde, als ich zum Nachfolger von Eric Rasp im Amt des sportlichen Leiters bestimmt wurde. Als zweiter Eckpfeiler ist zu nennen die in der letzten Saison errungene Bayernliga-Meisterschaft und der Regionalligaaufstieg. In puncto Spielerverpflichtung denke ich an Pasqual Verkamp, der aus der Landesliga kam und sich in der Regionalliga durchgesetzt hat. Er hat ein Riesenpotenzial, braucht aber noch seine Zeit. Er kann sich bei uns noch ein, zwei Jahre weiterentwickeln, dann stehen ihm die Türen nach oben offen. Ich bin zuversichtlich, dass wir ihn bis dahin halten können.Ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt, ist Dein für einen Funktionsträger bei der Viktoria „jugendliches“ Alter von 31 Jahren. Profitierst Du als belebendes Element von einem Sonderstatus?Ich denke nicht, dass ich dadurch irgendeinen Sonderstatus habe. Vielleicht würde man mir Fehler leichter zugestehen, aber die versuche ich natürlich gar nicht erst zu machen. Ich möchte das mir entgegengebrachte Vertrauen in Leistung zurückzahlen und habe im Verein einen ganz normalen Stand. Hier ist der Altersunterschied nicht spürbar, eher schon darin, dass ich die jungen Spieler in ihrer Denkweise besser verstehe. Den einen oder anderen kenne ich noch aus meiner eigenen Laufbahn. Mit einigen, die heute noch in anderen Regionalligen oder höher aktiv sind, habe ich früher in der Jugend bei Viktoria gespielt oder sie mit Jürgen Bleistein in unserer Jugend auch trainiert. Dadurch habe ich noch einige persönliche Kontakte, die in Zukunft auch für die Viktoria interessant sein könnten. Ebenso trifft man alte Freunde wie Flo Grau vom VfB Eichstätt, mit dem ich in früheren Jahren in der Bayernauswahl zusammen gespielt habe.Jochen Seitz versieht – so macht es zumindest den Eindruck – seine Trainertätigkeit als „Distanz wahrender Kumpeltyp“. Wie „gibt“ Benni Hotz den sportlichen Leiter?Ich bin ähnlich wie Jochen der Kumpeltyp. Aber man muss natürlich immer die Grenzen kennen. Diese Erfahrung habe ich auch erst machen müssen. Da ich im Berufsleben schon seit sieben Jahren im Vertriebsaußendienst tätig bin, habe ich täglich mit den verschiedensten Charakteren zu tun. Das ist ähnlich wie im Sport und dadurch lernt man, dass es Momente gibt, in denen man ernst sein und seine Autorität unter Beweis stellen muss. Ich mach schon viel mit, aber man muss im Umgang schon wissen, wann es angemessen ist, einmal zurückzustecken.Hast Du bezogen auf Deine Funktion als sportlicher Leiter ein Vorbild, das in deinen Augen einen ausgesprochen guten Job macht?Aus wenig viel macht bei Eintracht Frankfurt Fredi Bobic. Er ist ein sehr sachlicher Mann und trifft viele richtige Entscheidungen. Frankfurt hat im Vergleich zu anderen Bundesligisten einen relativ geringen Etat. Wie bei der Viktoria ist es dort Jahr für Jahr aufs Neue schwer, eine ordentliche Mannschaft in den Wettkampf zu schicken. Was meine eigene Ausbildung angeht: Ich habe mein Fernstudium Sportmanagement im November 2014 am IST-Studieninstitut angefangen und Ende 2017 meine Abschlussprüfung gemacht. Im Februar 2018 habe ich ein Aufbauseminar Fußballmanagement begonnen, um einen Einblick in die speziellen Strukturen des Profifußballs zu bekommen. Die Prüfung habe ich letzte Woche abgelegt. Als weiterer Baustein soll noch „Spielanalyse und Scouting“ hinzukommen, was sich mit Sicherheit auch positiv auf meine Tätigkeit bei der Viktoria auswirken wird.Aufwand soll sich ja auch möglichst lohnen. Kannst Du Dir vorstellen, im Fußball-Management „aufzusteigen“ und dich auf höherer Ebene zu betätigen?Man soll sich immer neue Ziele stecken. Aktuell habe ich hauptberuflich bei einem ortsansässigen Großhandel einen guten Job im Vertrieb, der mir auch sehr viel Spaß macht. Von daher sehe ich momentan nicht die Notwendigkeit, etwas verändern zu müssen. Wenn es sich aber irgendwann ergeben sollte, dass man mit seiner Leidenschaft Fußball mehr Geld verdienen kann, dann sollte man sich schon Gedanken darüber machen. So lange versuche ich durch meine Arbeit und meine Außendarstellung auf mich aufmerksam zu machen, vielleicht ergibt sich irgendwann eine Tätigkeit auf höherer Ebene. Natürlich würde ich diese Entwicklung am liebsten bei der Viktoria machen, dazu gilt es aber von den Vereinsstrukturen her noch zu wachsen. Von der Infrastruktur und der Wirtschaftskraft her hat die Viktoria schon das Potenzial, irgendwann in der 3. Liga zu spielen.
Benni, wir danken Dir für das Gespräch und wünschen Dir – in unserer Eigenschaft als Viktorianer natürlich nicht völlig uneigennützig – viel Erfolg für die weitere Zukunft. Wir sind sicher: Mit den drei Attributen „smart, sachlich und strebsam“ bist Du in bester Bobic-Manier auf der Höhe der Zeit. zurück

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