Quasi über Nacht von der „Macht im Grabfeld“ zur „vierten Kraft in Unterfranken“ / Das glänzende Regionalliga-Debüt der Francic-Truppe lässt lokale „Grabesstimmung“ erst gar nicht aufkommen…
Zwei Teams bestreiten ihre erste Regionalliga-Saison in ihrer Vereinsgeschichte. Da ist zum einen die finanzstarke Türkgücü München, das die Regionalliga rein als Zwischenstation betrachtet, und zum anderen der TSV Aubstadt aus dem ländlichen Kreis Rhön-Grabfeld, der sich über lange Jahre in der Spitzengruppe der Bayernliga Nord gründlich auf das Abenteuer Regionalliga vorbereitet hat. Mit Erfolg, wie man sieht, denn das Team von Josef Francic belegt nach gut zwei Dritteln der Saison einen zuvor nicht für möglich gehaltenen siebten Tabellenplatz.[caption id="attachment_22160" align="alignright" width="300"]
21. Spieltag: Viktoria Aschaffenburg empfängt den TSV Aubstadt[/caption]Der Kroate Josef Francic sitzt seit 2011 bei den Grabfeldern auf der Trainerbank. Sofort nach Amtsantritt stieg er mit dem TSV von der Landesliga in die Bayernliga Nord auf, die alsbald über acht Jahre sportliche Heimat der Roten bleiben sollte. Eingewöhnungsschwierigkeiten in der neuen Liga gab es keine, im Gegenteil In Rekordtempo wuchs man in die Rolle eines Spitzenteams hinein, das durchweg mit einstelligen Tabellenplätzen glänzen konnte und zweimal als Vizemeister an der Aufstiegsrelegation zur Regionalliga teilnahm. 2013/14 scheiterte man dort am 1. FC Schweinfurt 05, in der Spielzeit 2017/18 verpasste man den Aufstieg mit zwei Unentschieden gegen die SpVgg. Bayreuth um Haaresbreite. In den letzten Jahren wurden Meisterschaft und Aufstieg immer mehr zum bestimmenden Thema bei den Unterfranken und entsprechend hoch war die Erwartungshaltung im Grabfeld. Coach Josef Francic fasst denn auch rückblickend zusammen: „
In den vergangenen vier Spielzeiten in der Bayernliga Nord waren wir immer Titelanwärter und die Erwartungen an uns waren enorm hoch. Gewinnen war fast selbstverständlich und die Meisterschaft das klare Ziel.“ Als dann in der Vorsaison der Bann endlich gebrochen war und der TSV Aubstadt als Meister der Bayernliga Nord den erstmaligen Aufstieg in die Regionalliga Bayern perfekt machte, waren zunächst umfangreiche bauliche Maßnahmen nötig, um in dem 750-Einwohner-Dorf die Voraussetzungen für Regionalliga-Fußball zu schaffen.
Vorsitzender Köhler: „Mehr als nur Kanonenfutter“
„Bleibt nur zu hoffen, dass sich die ganzen Anstrengungen für die Spieler und den Verein in sportlicher und wirtschaftlicher Hinsicht in Zukunft auszahlen werden“, unkte seinerzeit das örtliche Presseorgan Main-Post. In Aubstadt selbst, wo selbst der amtierende Bürgermeister ein ehemaliger TSV-Landesliga-Spieler ist, teilte man diese Bedenken von Anfang an nicht.
„Für sportlich und wirtschaftlich überschaubar“ hält man das Risiko Regionalliga. Mit gutem Grund: Ein örtlich ansässiger Sponsorenpool – an der Spitze „natürlich“ ein ehemaliger TSV-Aktiver – sorgt für den nötigen finanziellen Background. Zudem haben sich die Spieler im Hinblick auf ihre Bezüge kooperativ gezeigt und sind in der Mehrzahl mit Zweijahresverträgen ausgestattet, so dass der TSV auch im Falle eines (immer unwahrscheinlicher werdenden) Abstiegs eine schlagkräftige Truppe beisammen hat. An den „worst case“ wollte 1. Vorsitzender Herbert Köhler vor dem Start in die Regionalliga freilich nicht denken:
„Ich bin mir sicher, dass wir mehr als nur Kanonenfutter sind und manchen überraschen können, weil wir eine gewachsene Mannschaft haben.“Schon in der Vergangenheit hatte der TSV einen qualitativ guten Kader, dem es allerdings an der nötigen Breite mangelte. Daran wurde zwischenzeitlich gearbeitet, den nötigen „Stoff“ lieferten Zugänge aus dem benachbarten Großraum Würzburg /Schweinfurt, die die familiäre Atmosphäre bei der
„neuen vierten Kraft in Unterfranken“ (Main-Post) genießen.[caption id="attachment_18192" align="alignleft" width="600"]
Viktoria Aschaffenburg muss im zweiten Regionalliga-Duell mit dem TSV Aubstadt auch ohne Regisseur Björn Schnitzer erfolgreich gestalten (Archiv, © Moritz Hahn)[/caption]
Klassenerhalt in Griffweite
Die positive Entwicklung beim TSV Aubstadt dürfte mit Sicherheit dazu beigetragen haben, dass die „Abschter“ das Eröffnungsspiel der Regionalliga-Bayern-Saison vor großer Kulisse (3.400 Besucher!) im Schweinfurter Willy-Sachs-Stadion austragen durften. Dass man dem Meisterschaftsfavoriten seinerzeit knapp mit 1:2 unterlag, brauchte nun wirklich nicht als schlechtes Omen angesehen werden. In der Folge erwies sich vor allem das heimische Aubstädter Schulstadion als ausgesprochen „lehrreich“ für manch alteingesessenen Regionalligisten (die Viktoria inklusive) und spätestens seit dem fünften Spieltag (5:1-Auswärtsieg in Garching) war auch von „Fremdeln“ keine Rede mehr. Die Gründe für die – an 17 der absolvierten 20 Spieltage befand sich der TSV auf einem einstelligen Tabellenplatz – sieht Coach Josef Francic in erster Linie im psychologischen Bereich:
„Wir sind in jeder Partie klarer Außenseiter und verspüren keinen Druck. Befreit aufspielen zu können, macht viel aus –
vor allem, wenn es die Jahre zuvor nicht möglich war. In der Regionalliga sind die Voraussetzungen nun komplett andere. Wir genießen jede Partie und stehen nach Niederlagen schnell wieder auf.“ Zuletzt musste man – zum ersten Mal überhaupt – deren zwei hintereinander hinnehmen, mit der 1:3-Niederlage in Heimstetten und zuletzt mit der bitteren Last-Minute-2:3-Heimschlappe gegen Schalding leistete man Entwicklungshilfe für die Kellerkinder der Liga. Dass es den TSV in dieser Saison noch einmal in die Abstiegszone verschlagen könnte, darf angesichts von 32 bereits eingesammelten Punkten stark angezweifelt werden. Dazu müsste das „Stehaufmännchen TSV Aubstadt“ schon mit hochwirksamen K.o.-Tropfen längerfristig außer Gefecht gesetzt werden…
zurück