Wir haben zum Jahresende mit unserem Cheftrainer Simon Goldhammer über seinen Start als Cheftrainer am Schönbusch, die vergangenen Monate, die aktuelle Situation und die Aussichten auf die Restrunde der Saison 23/24 gesprochen.
Simon, für dich ist es nach dem Sprung aus der Landesliga sicher eine Umstellung gewesen als Cheftrainer bei einem Regionalligisten tätig zu sein. Worin liegen denn die Hauptunterschiede und was war die größte Umstellung für dich?
Goldhammer: “Ganz klar liegt in dem nötigen Zeitaufwand ein Hauptunterschied. Vier Trainingseinheiten pro Woche plus Spieltag am Wochenende inkl. aller Vorbereitungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Die Gegneranalysen, das Reflektieren des eigenen Spiels und die Inhalte unter der Woche mit dem Team erfordern viel Arbeit, um für das kommende Spiel eine bestmögliche Vorbereitung zu gewährleisten. Ich habe in dieser Liga einen noch höheren Anspruch an mich und meine Arbeit als zuvor und werde auch an noch höheren Erwartungen gemessen, von daher ist dies ein weiterer Unterschied. Auch im Bereich der Medienarbeit fallen viel mehr Aufgaben an, denn diesen Bereich musste ich vorher in dieser Form nicht abdecken. Auch hier gilt es, Drucksituationen zu lösen und immer bestmöglich zu agieren. Diesbezüglich ist die Unterstützung im Verein aber bestens, so dass ich damit schnell zurechtgekommen bin.”
Neue Rolle: Auch am Mikrofon und vor der Kamera ist Cheftrainer Simon Goldhammer gefragt. (FOTO: Julien Christ/sportfotografie.de)
Gibt es etwas, das du unterschätzt hattest?
Goldhammer: „Ich habe meine Haupttätigkeit beim DFB zwar zeitlich reduziert, dennoch ist der Zeitfaktor bei der Viktoria wirklich enorm und von daher würde ich sagen, dass ich diesen Umstand trotz der Vorbereitungen und Überlegungen im Vorfeld dennoch etwas unterschätzt habe.”
Ihr seid mit fünf eigenen Nachwuchstalenten in die Saison gegangen und habt mit Lars Kleiner, Gianluca Schäfer und Lucas Sitter drei weitere sehr junge Spieler dazu geholt, um eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern im Kader zu gewährleisten. Wie zufrieden seid ihr mit der Entwicklung und der damaligen Entscheidung?
Goldhammer: “Zu Beginn der Saison war der Kader noch recht groß. Leider hat sich dieser im Laufe der Vorrunde sehr ausgedünnt. Wir hatten großes Verletzungspech, Qualitäts- und Unterschiedsspieler wie z.B. Clay Verkaj, Florian Pieper oder Niklas Meyer sind im Grunde die komplette Spielzeit ausgefallen. Wie immer gibt es im Laufe einer Saison weitere, „kleinere“ Verletzungen und gesperrte Spieler, so dass Woche für Woche viele Spieler ersetzt werden mussten. Hinzu kommen die schweren Verletzungen von Niklas Borger, Elias Niesigk und Philipp Beinenz aus der vergangenen Saison, die bisher noch nicht eingesetzt werden konnten. Mit Benedict Laverty, Nicolas Hebisch und Felix Metzler haben drei sehr gute Spieler den Verein verlassen und wir haben uns mit Spielern aus der eigenen U19 verstärkt, sowie den jungen Talenten Lars Kleiner und Gianluca Schäfer. Hinzu kommt der Transfer von Lucas Sitter, der den Weg vom Gruppenligisten SG Langstadt/Babenhausen an den Schönbusch gefunden hat. Der Verein hat in der Planung auf die Saison bewusst auch das Augenmerk auf die eigene Jugend gelegt und einkalkuliert, dass es selbstverständlich Zeit für Anpassungen braucht. Die jungen Spieler müssen sich an die Intensität und Abläufe im Herrenbereich gewöhnen, um langfristig auf diesem hohen Niveau anzukommen und sich zu etablieren. Auch Lucas braucht Zeit und Geduld, um sich den Gegebenheiten anzupassen, aber vollem er, Lars Kleiner und Arda Nadaroglu, haben viel Spielzeit auf der Uhr und eine gute Entwicklung hingelegt. Der eingeschlagene Weg mit jungen Spielern aus der Region erhöht die Identifikation und ist auch eine sehr große Chance für die Spieler, ihre Entwicklung voranzutreiben. Ich denke, dass wir grundsätzliche eine gute Mischung haben zwischen „Alt und Jung“, aber natürlich ist es schwer, die Qualität der Abgänge zu kompensieren und die vielen Verletzten zu ersetzen. Aber ich sehe uns als Team auf einem sehr guten Weg, diese Herausforderung zu meistern. Die Entwicklung geht in vielen Bereichen absolut in die richtige Richtung und ich bin sehr zuversichtlich, dass dieser Weg - gepaart mit harter Arbeit - zum Erfolg führt."
Gerade in der Offensive hat es in der Hinrunde etwas gehapert und zudem kamen mit Clay Verkaj, Niklas Meyer und auch über weite Strecken bei Florian Pieper weitere Verletzungsausfälle hinzu. Werdet ihr in der Winterpause in diesem Bereich aktiv werden?
Goldhammer: “In der Winterpause sind Transfers erfahrungsgemäß immer sehr schwierig. In Kombination mit den finanziellen Möglichkeiten sehe ich aktuell keinen externen Neuzugang auf der Liste bzw. als realistisch. Ich erwarte Offensivspieler Niklas Meyer zum Trainingsauftakt zurück. Er ist in der Offensive flexibel einsetzbar und wäre ein „gefühlter Neuzugang“ & eine starke Alternative, um in der Offensive variabler zu agieren. Im letzten Heimspiel gegen Wacker Burghausen war Innenverteidiger Luca Dähn als Sturmführer aufgeboten und hat gemeinsam mit Lars Kleiner ein sehr gutes Spiel hingelegt, so dass er hier mehr als nur ein „Plan B oder C“ werden könnte, vor allem auch dann, wenn Niklas Borger nach seinem Kreuzbandriss schnell Anschluss finden kann, um im Abwehrzentrum eine mögliche Lücke zu schließen. Auch Philipp Beinenz möchte zum Trainingsauftakt erste Schritte im Mannschaftstraining absolvieren. Auch bei Philipp hoffe ich, dass er so schnell als möglich sein altes Level erreichen kann. Er wäre auf der Außenbahn flexibel einsetzbar. Man muss aber abwarten, inwieweit Borger und Beinenz sofort präsent sind. Beide konnten leider über ein Jahr keinen Fußball spielen, sind aber heiß auf ein mögliches Comeback und ich würde es ihnen wünschen, dass sie gut durch die Vorbereitung kommen, um schon recht bald echte Alternativen werden zu können. Bei Stürmer Elias Niesigk wissen wir leider nicht genau, wann er wieder auf dem Platz stehen kann. Wir drücken die Daumen und wünschen uns, dass er im Laufe der restlichen Spiele nochmal eingreifen kann, aber leider kann hier keine Prognose abgegeben werden. Auch bei Kreativspieler Clay Verkaj ist es schwer, eine Prognose abzugeben. Für mich ist Clay ein absoluter Unterschiedsspieler, so dass ich hoffe, dass er in dieser Saison nochmal einsteigen kann. Seine Verletzung war leider kompliziert und ist sehr langwierig. Florian Pieper erwarte ich Ende Februar im Mannschaftstraining. Er hatte leider bisher großes Verletzungspech, daher konnten wir auf seine großen Qualitäten kaum zugreifen. Es würde uns extrem weiterhelfen, wenn er regelmäßig und über einen längeren Zeitraum auf dem Platz stehen könnte."
In der Regionalliga Bayern geht es wie in den Jahren zuvor auch wieder eng zu. Derzeit steht der SVA mit 25 Punkten auf Tabellenplatz 12, der Abstand zu den Relegationsplätzen beträgt vier Zähler. Aber auf Tabellenplatz 8 sind es eben auch nur vier Punkte. Was sind eurer Meinung nach die Nuancen, die die Spiele letztlich entscheiden?
Goldhammer: “Das stimmt, viele Spiele liefen Spitz auf Knopf. Meiner Meinung nach gewinnen oft die Mannschaften, die weniger individuelle Fehler machen. Es ist wichtig, dass man als Team über weite Strecken der 90 Minuten konstant auf einem hohen Level agiert, um seine Leistung und den Matchplan diszipliniert über die Spieldauer umzusetzen. Leider hatten wir doch das eine oder andere Spiel dabei, in dem wir eine Führung nicht konsequent und clever genug ins Ziel gebracht haben, das ist ärgerlich und hat uns um den Lohn und um Punkte gebracht, wie zum Beispiel gegen Nürnberg, in Bayreuth, in Vilzing, in Illertissen oder zuletzt gegen Burghausen. Wir wollen Fehler minimieren, um enge Spiele auf unsere Seite zu ziehen."
Wie stellt man diese individuellen Fehler ab?
Goldhammer: “Individuelle Fehler sind ja nicht nur die, die man offensichtlich auf den ersten Blick sieht, z.B. ein Ballverlust in der Aufbauzone, der direkt zu einem Gegentor führt. Man kann beispielsweise auch mal einen Pressing-Moment verschlafen oder ein wichtiges Prinzip/taktisches Element wird nicht auf den Platz gebracht. Das kann man ständig im Training wiederholen, verbessern und entwickeln, auch während Videoanalysen besprechen. Natürlich geht es aber am Spieltag auch immer um eine Tagesform, die auch dazu beiträgt, wie gut ein Spieler unterwegs ist."
Immer am Ball! (FOTO: Julien Christ/sportfotografie.de)
25 Punkte aus 21 Spielen hat die Mannschaft geholt, das Nachholspiel gegen den FC Bayern II steht dann gleich Ende Februar auf dem Programm. Liegt sie damit im Soll?
Goldhammer: “Streng genommen ist der Abstand zu einem einstelligen Tabellenplatz geringer als der zu den Relegationsplätzen. Aber es wäre aktuell natürlich fahrlässig, auf den 1. FC Nürnberg (aktuell Platz 9, 27 Punkte) zu schielen. Wir sind mit der Situation nicht komplett happy, aber leider haben wir in einigen Spielen nicht den entscheidenden Punch setzen können, wie z.B. im letzten Heimspiel gegen Wacker Burghausen - wenn wir da das zweite Tor nachlegen gehen wir wahrscheinlich als Sieger vom Platz. Man sollte sicherlich auch einkalkulieren, dass wir die komplette Saison gegen viele Widerstände ankämpfen mussten, von daher wäre ich mit einer Bilanz von 30 Punkten sehr zufrieden gewesen, mit 27 Punkten wären wir im Soll. Mit den 25 Punkten auf der Habenseite haben wir Vorsprung auf einen Relegationsplatz, bedeutet aber mehr denn je, dass unsere Sinne geschärft sein müssen. Wir müssen die Situation annehmen und uns auch über eine starke Mentalität die nötigen Punkte erkämpfen & erarbeiten. Wir wollen die bevorstehende Vorbereitung nutzen, um die Grundlagen zu legen, sodass wir so oft als möglich 100% in allen Bereichen auf den Platz bringen können."
Jetzt startet ihr durch das Nachholspiel gegen den FC Bayern München II eine Woche früher als geplant in die Restrunde. Hatte das Auswirkungen auf die Vorbereitungsplanungen und an was wirst du, Simon, bis dahin ganz speziell arbeiten?
Goldhammer: “Auswirkungen hatte es dahingehend, dass wir unsere Testspielgegner Eintracht Frankfurt II und TSG Hoffenheim II zum Ende der Vorbereitung ausgewählt haben. Beides Zweitvertretungen eines Bundesligisten, deren "U23-Charakter" den FC Bayern ein Stück weit abbilden soll. Es gilt weiterhin an unserer Stärke, der defensiven Stabilität, zu arbeiten und Abläufe zu verfestigen. Denn schließlich sind wir das fünftbeste Team der Liga im Defensivbereich. Potenzial haben wir im Spiel mit dem Ball bzw. hauptsächlich im letzten Drittel. Da müssen wir mehr Überzeugung, Entschlossenheit und Präsenz zeigen, um noch öfter klare Torchancen zu kreieren und erfolgreich zum Abschluss zu kommen. Das Heimspiel gegen die Bayern ist natürlich eine große Motivation für die anstehende Wintervorbereitung. Wir freuen uns alle riesig auf dieses Spiel und auf das komplette Restprogramm.”
Gibt es einen Viktoria-Wunsch für das Jahr 2024??
Goldhammer: “Ich wünsche mir, dass wir alle gesund bleiben und dass wir sportlich einen guten Start in die Restsaison erwischen, um dann den Elan mitnehmen zu können in die weitere Spielzeit. Wir würden gerne frühzeitig die 40-Punkte-Marke knacken und es wäre wünschenswert, dass der Verein wirtschaftlich in ruhigem Fahrwasser unterwegs ist, damit wir das große Potenzial in diesem Verein optimal ausschöpfen können.”
Immer engagiert an der Seitenlinie. Der neue SVA-Cheftrainer Simon Goldhammer. (FOTO: Julien Christ/sportfotografie.de)
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Stand: 30. Dezember 2023 / Autorin und Redaktion: Melanie Grün-Schmidt
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