Viktoria News
„Erinnerungen, die immer einen Platz in meinem Herzen haben werden“
20. Mai 2023

Je länger eine Liaison im Fußball dauert, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit des Zuendegehens. Nach sieben Spielzeiten und 226 Pflichtspielen an der Seitenlinie der Viktoria nimmt Cheftrainer Jochen Seitz nun nach dieser Saison seinen Hut am Schönbusch.

Während dieser Zeit hat der 46 Jahre alte Fußballlehrer aus einer “Fahrstuhlmannschaft”, die, wie er selbst sagt “für die Bayernliga zu gut und die Regionalliga zu schlecht” war, ein etabliertes Regionalligateam geformt und entwickelt. Doch der ehemalige Bundesliga-Profi mit Stationen wie dem VfB Stuttgart, Schalke 04, Hamburger SV und der SpVgg Unterhaching war bei den Weiß-Blauen mehr als “nur” ein Cheftrainer. Er hat sich stets um die Entwicklung des Vereins in allen Bereichen eingesetzt, war sich für keinen Termin zu schade und hat damit dem Verein ein Gesicht nach außen gegeben. Wir haben mit ihm über seine emotionalsten und bittersten Momente gesprochen und gemerkt, dass er nicht nur stolz auf das Erreichte ist, sondern vieles auch sehr vermissen wird.

Immer engagiert an der Seitenlinie des SVA - vom ersten bis zum letzten Tag! (FOTO: Julien Christ)


Jochen, nimm uns doch bitte einmal mit in die einzelnen Spielzeiten. Starten wir mit der ersten, die im September 2016 für dich begann, nachdem du von Bayern Alzenau an den Schönbusch gewechselt warst.

Jochen: “Ich habe die Viktoria damals in einer relativ schwierigen Phase übernommen, fand aber eine intakte Mannschaft mit großer individueller Qualität vor. Die Jungs mussten in der Saison davor in die Qualifikation gehen, so dass die Frische bei meinem Start noch etwas gefehlt hat. Dennoch haben wir eine starke Runde gespielt und wurden Tabellenzweiter, leider hat es in der Relegation dann aber nicht mit dem Aufstieg geklappt.“

Die Saison 2017/18 bleibt dir sicher immer in bester Erinnerung?

Jochen: “In dieser Spielzeit wurden wir mit einem Punkterekord Meister in der Bayernliga Nord. Damals lief wirklich alles sehr harmonisch und rund ab, die Jungs haben alles umgesetzt, was wir von ihnen erwartet hatten. Den Punkterekord und den Aufstieg haben wir dann gebührend gefeiert, sind unter anderem alle zusammen nach Mallorca geflogen. Das sind natürlich Erinnerungen, die immer einen Platz in meinem Herzen haben werden und die stolz machen.”

In Feierlaune! (FOTO: Benedikt Hotz)

Saison 2018/19!

Jochen: “Da ging es ja rein um den Klassenerhalt. Wir wollten unter allen Umständen den direkten Abstieg vermeiden und konnten dieses Ziel auch kurz vor Saisonende als erreicht abhaken. Für das erste Jahr in der Regionalliga war Platz 10 für mich absolut in Ordnung, die Mannschaft hat in dieser Zeit Höhen erlebt aber auch Tiefen gemeistert und sich am Ende mit dem Klassenerhalt belohnt Im BVF-Toto-Pokal hingegen erlebten wir einen echten Höhenflug und schalteten im Halbfinale vor heimischem Publikum 1860 München aus. Leider konnten wir im Finale gegen die Würzburger Kickers nicht bestehen.”

Blicken wir auf die Corona-Spielzeiten 2019/20 und 2020/21.

Jochen: “Das war natürlich für uns alle eine ganz spezielle Zeit und für uns als Amateurverein eine ganz große Herausforderung. Im ersten Jahr hatten wir nichts mit dem Abstieg zu tun und standen zum Zeitpunkt des Abbruchs der Saison sogar auf einem einstelligen Tabellenplatz. Das war die kontinuierliche Weiterentwicklung und hat uns absolut zufriedengestellt. Danach wurden die Bedingungen immer schwieriger und die Austragung der Spiele ohne Zuschauer war wirklich befremdlich. Als die Saison abgebrochen wurde standen wir völlig überraschend auf dem ersten Platz und ab da wurde es dann für uns sehr ärgerlich. In dieser Situation hat sich meiner Meinung nach der BFV nicht ganz korrekt verhalten, weil die sogenannten Profimannschaften weiter trainieren durften und wir durften es als Amateuerverein nicht. Dementsprechend hatten wir einen großen Nachteil als es dann in die Qualifikationsspiele zur Aufstiegsrelegation ging, konnten so unser Potenzial nicht ausschöpfen und sind dann auch gescheitert. Dazu kam, dass der Antrag der anderen Vereine, uns als Tabellenerster (vor Abbruch, Anm. d. Red.) wenigstens einen Startplatz im DFB-Pokal einzuräumen, von einem Verein abgelehnt wurde und der Verband entschied, das würde nur dann gehen, wenn alle einstimmig zustimmen würden - was durch die Verneinung ja nicht gegeben war und wir somit gar keine Belohnung für den ersten Platz erhalten haben.”

War dir denn bewusst, wie nah du an dem immer wieder formulierten Ziel des Aufstiegs in die Dritte Liga zum damaligen Zeitpunkt gewesen bist oder haben die außergewöhnlichen Bedingungen – auch im Alltagsleben – das alles überschattet?

Jochen: “Man muss anmerken, dass es für uns völlig überraschend war, auf dem ersten Tabellenplatz zu stehen. Dennoch war mir sehr wohl bewusst, welch große Chance auf dem Tisch lag. Von daher war es umso bitterer, diese Steine durch den Verband in den Weg gelegt bekommen zu haben. Wir haben als Verein alles versucht, damit dieser erste Tabellenplatz eine Würdigung erfährt in dieser Situation – aber leider ohne Erfolg. Ob wir es am Ende hätten nutzen können, sei dahingestellt. Aber der Ablauf damals war wirklich ungerecht und nicht nachvollziehbar.“

Das Gesicht des Vereins. Nicht nur in Inteviews vor der Kamera oder am Mikrofon. (FOTO: Julie Christ)

Saison 2021/22?

Jochen: „Auch diese Saison war noch von Corona-Einschränkungen geprägt, zumindest teilweise. Ich erinnere mich, dass die Planung im Vorfeld der Saison schwierig war, weil niemand genau wusste, wie genau es weitergehen würde. Wir mussten einige Spieler ersetzen, wie z.B. Simon Schmidt und Kevin Wittke, die beide ihre aktive Laufbahn beendeten. Trotzdem gelang uns mit Platz acht ein einstelliger Tabellenplatz und wir haben gesehen, dass wir uns trotz widriger Umstände in der Regionalliga etabliert hatten.“

Wie bewertest du die aktuelle Spielzeit?

Jochen: „Wir hatten Höhen und Tiefen und uns fehlte auf Dauer gesehen dann doch die Konstanz – sonst wäre noch mehr machbar gewesen. Im Herbst 2022 hatten wir eine problematische Phase, die die Mannschaft aber sehr gut gemeistert hat und sogar eine enorme Serie vor eigenem Publikum starten konnte. Wir stehen derzeit zurecht auf dem fünften Tabellenplatz und den möchten wir auch bis zum Schluss verteidigen.“

Den Blick immer nach vorne gerichtet. (FOTO: Julien Christ)

Gab es etwas, das du dir unabhängig vom Ziel Aufstieg in die 3. Liga vor deinem Amtseintritt vorgenommen hattest und von dem du nun sagen kannst, es erreicht zu haben?

Jochen: „Wir haben die Mannschaft auf einem Mittelfeldplatz in der Bayernliga übernommen und wollten schnellstmöglich in die Regionalliga zurück. Die Viktoria wurde vorher gerne als Fahrstuhl-Mannschaft bezeichnet – zu gut für die Bayernliga und zu schlecht für die Regionalliga. Das wollten wir ändern und das ist gelungen. Mittlerweile sind wir nicht nur ein etabliertes, sondern auch eine ambitioniertes Regionalliga-Team, das sich zum größten Teil aus Spielern der Region zusammensetzt. Wir haben das erreicht, was möglich ist und ich bin sehr fein mit allem.“

Gibt es eine alles überragende schönste Erinnerung?

Jochen: „Da steht natürlich der Aufstieg in die Regionalliga ganz weit vorne, weil das eine überragende Saison mit einer tollen Mannschaft war. Aber auch die Spiele im BFV-Toto-Pokal gegen 1860 München und die Würzburger Kickers vor ausverkauftem Haus waren überragende Momente. Auch weil wir gemerkt haben, dass wir die Stadt im Erfolg euphorisieren können.“

War waren die bittersten Momente?

Jochen: „Ganz klar der Ablauf rund um die Qualifikationsspiele. Aber auch die Tatsache, dass wir ebenso nah an der Teilnahme am DFB-Pokal waren, dies aber ganz knapp verpasst haben. Ich hätte mit der Viktoria gerne auch einmal im DFB-Pokal gespielt.“

Was bzw. wen wirst du am meisten vermissen?

Jochen: „Das familiäre Umfeld wird mir fehlen, auch weil ich natürlich weiß, dass es so etwas im Profifußball eher selten gibt. Ich werde aber auch die tägliche Arbeit mit der charakterstarken Mannschaft vermissen und die vielen ehrenamtlichen Helfer, die uns immer tatkräftig unterstützt haben. Wenn ich anfange darüber nachzudenken, gibt es schon sehr, sehr vieles, was mir fehlen wird.“

Ein nahezu einmaliges Gespann, das zehn Jahre eng zusammenarbeitete - sieben davon am Schönbsuch! (FOTO: Julien Christ)


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Stand: 20.05.2023/ Autorin und Redaktion: Melanie Grün-Schmidt 

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