Viktoria News
„Genug Qualität, um unsere Ziele zu erreichen“
19. August 2020

Sportlicher Leiter Benni Hotz stellt im Interview sein Konzept einer effektiven Kaderplanung in finanziell klammen Corona-Zeiten vor / Einzige Position auf der linken offensiven Außenbahn ist noch vakant

Infolge der Auswirkungen der Corona-Krise haben viele Vereine personell Federn lassen müssen. Die Viktoria ist da längst nicht alleine, aber mit neun Abgängen mit Sicherheit einer der stärker betroffenen Clubs. Viktorias Sportlicher Leiter Benni Hotz spricht in unserem Interview denn auch von einem „Verlust der Qualität in der Breite“. Durch die exakte Einpassung von wenigen punktuellen Verstärkungen hat er dennoch in den aktuell sehr mageren Zeiten ein Team geschmiedet, von dem er glaubt, dass es an die im bisherigen Saisonverlauf gezeigten Leistungen anknüpfen kann. Angesichts des Potenzials der Truppe mag sich Benni nicht einmal das Träumen ganz verkneifen.


Das Interview mit Sport-Vorstand Benni Hotz führten Wolfgang Fleischer und Moritz Hahn.


Benni, als Sportlicher Leiter bist du bekanntermaßen für die Kaderplanung verantwortlich. Wie angekündigt, wurde in der Corona-Pause der Kader gestrafft und zu diesem Zweck ein vergleichsweise „großer Schnitt“ gemacht. Nun da der Verband ab ist: Darf die „gestraffte Viktoria“ mit ihrem Aussehen zufrieden sein?

Benni Hotz: „Ja, wenn es jetzt noch gelingt unsere letzte Baustelle zu schließen, dann können wir insgesamt mit der Planung zufrieden sein. Wir konnten den Großteil unseres Stammes zusammenhalten und teilweise auch langfristig binden, mussten auch dieses Jahr wieder schwere Entscheidungen treffen und einigen Jungs mitteilen, dass wir die auslaufenden Verträge leider nicht verlängern werden. Was die Kaderstärke betrifft, werden wir wohl mit zwei Spielern weniger als zu Beginn der Saison starten. In der Breite haben wir natürlich auch an Qualität verloren, wenn man bedenkt, dass wir uns von gestandenen Spielern getrennt haben.“

Mit Björn Schnitzer, Pasqual Verkamp und auch Silas Zehnder haben den Verein auch Leistungsträger verlassen, auf die man gerne weiter gebaut hätte...

„Dass Silas uns nach zwei Jahren der Leihe von Darmstadt verlassen würde, war uns schon bewusst. Ich freue mich für ihn, dass er die Chance bekommt, sich im Zweitligakader der Lilien zu beweisen. Es ist andererseits kein Geheimnis, dass wir Silas gerne behalten hätten, da er sich in der Zeit bei uns in sportlicher wie in persönlicher Hinsicht enorm weiterentwickelt hat. Aber immerhin haben wir auf seiner Position Alternativen, weshalb ein unmittelbarer Handlungsbedarf für uns nicht entsteht.

Bei Pasqual musste man mit einem Wechsel rechnen, da er auf Angebote aus der 3. Liga wartete. Vor diesem Hintergrund mag es nicht ganz nachvollziehbar sein, dass er letztlich zum Drittligaabsteiger Carl Zeiss Jena ging. Als Argument kann man immerhin die professionellen Bedingungen gelten lassen, unter denen beim thüringischen Club gekickt wird.

Mit Björn verlieren wir einen echten „Unterschied-Spieler“, welcher zu unserem sportlichen Erfolg maßgeblich beigetragen hat. Allerdings muss man sagen, dass Björn schon länger auf der Wunschliste von Dreieich stand. Nachdem jetzt ein Gesamtpaket geschnürt wurde, dass alle Parteien zufrieden stellte, ging es dann sehr schnell. Natürlich bedeutet Björns Abgang eine empfindliche Schwächung der Offensive.“


Benni Hotz, Sport-Vorstand bei Viktoria Aschaffenburg, steht Rede und Antwort (© Moritz Hahn)

Tabuwörter „Königstransfer“ und „Schnitzer-Ersatz“

In einem gerade erschienenen ausführlichen Interview mit FuPa hast du dargelegt, dass eine gute Kaderplanung auf der Basis von begrenzten finanziellen Mitteln nur mit Kreativität zu erreichen ist. Wie im „Kicker“ zu lesen war, hast Du den Königstransfer Marcel Schelle über seine Liebe zu italienischem Essen geködert und ihn eine Woche lang jeden Abend zu einem anderen Italiener ausgeführt. Das fällt wohl auch unter besagte „Kreativität“?

„Ich rede nicht gerne von einem „Königstransfer“, aber ja, auch das fällt unter die besagte „Kreativität“... Die Verhandlungen hatten sich auch über Wochen hingezogen und irgendwie haben wir unsere gemeinsame Leidenschaft für italienisches Essen entdeckt. Aus dem Italienurlaub habe ich Ihm Bilder vom Essen geschickt und ihm das unmoralische Angebot unterbreitet, ihn im Falle einer Zusage die erste Woche in Aschaffenburg jeden Abend zu einem anderen Italiener einzuladen. Meiner Meinung nach sollte ein Verein wie die Viktoria bei der Akquise von externen Spielern ohnehin verstärkt mit „weichen“ Faktoren wie positives Lebensumfeld in einer attraktiven Stadt werben. Bei manchem Transfer, bei dem Geld allein nicht zu überzeugen vermag, könnte dies das Zünglein an der Waage spielen.“

Hätte Schelle auch zugesagt, wenn Du höchstpersönlich ihn bekocht hättest?

„Ich denke, eine ganze Woche das selbsternannte „weltbeste“ Rührei hätte ihn nicht so überzeugt. Ab und zu koche ich in der Tat gerne, dann aber für oder mit meiner Frau. Im Übrigen: Marcel soll ja auch die Stadt kennen lernen...“

Mit dem Ex-Eichstätter kommt ein feiner Techniker an den Schönbusch. Bist Du eigentlich glücklich mit der Bezeichnung „Schnitzer-Ersatz“? Schließlich stellt jeder eine eigene Spielerpersönlichkeit dar. Engt man einen Spieler mit derlei Begriffen nicht unnötig ein?

„Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich vom Begriff „Schnitzer-Ersatz“ nichts halte. Wie Du schon andeutest, hat jeder seinen eigenen Spielstil und seine eigene Persönlichkeit. Von daher ist Marcel kein Ersatz oder Nachfolger. Wir hatten durch den Abgang von Björn Bedarf auf der zentraloffensiven Mittelfeldposition und haben mit Marcel einen Topspieler für diese Position gefunden.“

Tun wir mal so, als gäbe es die vorangegangene Frage nicht. Wieviel Schnitzer steckt in Schelle?

(lacht) „Siehe oben...“

„Wir sind nicht mehr so ausrechenbar“

Mit Elias Niesigk (Bayern Alzenau, RL Südwest), Raffael Cvijetkovic (BSG Chemie Leipzig, RL Nordost) und Marcel Schelle (VfB Eichstätt, RL Bayern) sind die Neuen alle in der Offensive zu Hause. Allein eine Reaktion auf die Abgänge oder saht ihr im Angriff zusätzlichen Handlungsbedarf?

„Eli und Raffa hatten wir bereits verpflichtet, bevor die Abgänge von Pasi und „Schnitzel“ fix waren. Raffa hatten wir als Pendant zu Pasi auf der rechten offensiven Außenbahn geplant und war keine Reaktion auf den Abgang.“

Verkamp ist weg, demzufolge haltet ihr jetzt noch nach einem Pendant für Cvijetkovic auf der linken Außenbahn Ausschau. Bahnt sich hier schon eine Lösung an?

„So ist es, das ist aktuell noch die einzige offene Position im Kader... Wir hatten einige Testspieler im Training und teilweise auch als Gastspieler bei den Trainingsspielen. Sagen wir mal so, wir warten noch auf den Richtigen! Es kann ganz schnell gehen, kann sich aber auch noch etwas ziehen. Der Markt ist auf dieser Position gerade schwierig.“

Nicht betroffen von Veränderungen ist trotz des ein oder anderen Abgangs die Defensive. Darf man dem entnehmen, dass ihr mit den Defensivleistungen im Großen und Ganzen zufrieden seid?

„Ich denke, dass wir in der Defensive sehr zufrieden sein können. In der laufenden Saison haben wir erst 25 Gegentore bekommen. Das ist nach Eichstätt und Fürth ein Topwert in der Liga.“

Die Mannschaft nach Corona wird nicht schlechter sein als die vor Corona, zeigtest Du Dich im FuPa-Interview überzeugt. Damit legst du die Latte für den Rest der Runde hoch...

„Wenn uns die angesprochene Verstärkung auf der offensiven Außenbahn noch gelingt, sind wir sehr gut aufgestellt. Ich bin überzeugt, dass wir genug Qualität im Kader haben, um unsere Ziele zu erreichen.“

Änderungen im Kader bringen auch neue Interaktionen und andere Muster mit sich. Wird die Viktoria nach Aufhebung des Lockdowns einen anderen Fußball spielen als bisher?

„Durch die Veränderungen im Kader sind wir nicht mehr so ausrechenbar. An der Marschroute von Jochen und seinem Team ändert sich nichts: Wir wollen Fußball „spielen“, lange Bälle sollen die Ausnahme bleiben. Freilich müssen wir uns noch finden und einspielen. Blindes Verständnis fällt schließlich nicht vom Himmel.“

Traum der Träume DFB-Pokal

Im Interview mit FuPa kam auch „Bennis Traum“ zur Sprache. Für alle, die es nicht gelesen haben: Wie ging der noch mal?

„Mein Traum wäre es, in der „neuen“ Saison 2021/22 über den direkten Aufstiegsplatz aus der Regionalliga Bayern in die 3. Liga zu schaffen. Dazu muss natürlich noch einiges passieren... deshalb „Traum“. Mein Wunschszenario für die laufende Saison ist da schon greifbarer: sich für die Play-off-Runde qualifizieren und eventuell Schweinfurt und Bayreuth etwas ärgern...“

Wir könnten noch einen anderen Traum vom Baum schütteln. Die Viktoria macht in dieser Saison im Pokal Furore, haut Anfang September binnen weniger Tage erst die Würzburger Kickers, dann im Finale die Löwen weg, um zwischen dem 11. und 14. September in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals auf den Bundesligisten Eintracht Frankfurt zu treffen...

„Der Einzug in den DFB-Pokal wäre zweifellos das Größte. Ich würde ihn sogar dem Meistertitel vorziehen. Aber wie das mit Träumen so ist: Die schönsten sind meist die unrealistischsten. Allein schon an den Kickers vorbeizukommen, die zwischenzeitlich für die 2. Bundesliga personell noch einmal aufgerüstet haben. Die Tatsache, dass die Rothosen für den Pokal schon qualifiziert sind, verbessert unsere Chance auf ein Weiterkommen nur unwesentlich. Sollten wir denn wirklich ins Finale kommen, so hätten wir gegen die Löwen immerhin den psychologischen Vorteil, diese bereits einmal gezähmt zu haben. Die 60er gelten allerdings als Wundertüte und werden, nur noch einen Schritt von der lukrativen ersten Hauptrunde entfernt, alles daransetzen, diese zu erreichen. Andererseits: Die Viktoria hat sich anders als Memmingen dafür entschieden, trotz der widrigen Umstände (keine Zuschauer/Einnahmen) im Pokalwettbewerb zu verbleiben. In der Konsequenz bedeutet das, dass wir in den DFB-Pokal wollen und zur Erreichung dieses Ziels alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen werden.“


Wenn wir auch noch nicht live dabei sein können, diese Kampfansage haben wir vernommen. Benni, wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir und dem Team noch viel Erfolg in der laufenden Runde. Nicht zu vergessen: den neuen Spielern einen guten Einstand!


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Stand: 19. August 2020 / Verfasser: Wolfgang Fleischer & Moritz Hahn

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