Für den dritten und letzten Teil unseres großen Interviews haben wir uns vorgenommen, der Spielerpersönlichkeit Simon Schmidt noch ein Stück näher zu kommen. Spielphilosophie und Position im Mannschaftsgefüge kommen dabei ebenso zur Sprache wie gepflegte Freundschaften zu früheren Mannschaftskameraden. Verantwortungsgefühl als hervorstechende Charaktereigenschaft kennzeichnet nicht nur den Sportler, sondern auch den Privatmensch Simon Schmidt, weshalb er allmählich die Zeit gekommen sieht, andere Prioritäten zu setzen.
Das Interview mit dem Viktoria-Kapitän führten Wolfgang Fleischer und Moritz Hahn.
Simon Du hast laut unserem Archiv 408 Pflichtspiele für die Viktoria absolviert und 50 Tore geschossen. Was genauso beeindruckend ist: Obwohl Du seit langem einen defensiven Part spielst, bist Du in Deiner ganzen Zeit beim SVA nicht ein einziges Mal vom Platz geflogen. Wie geht das?
Simon Schmidt: „Das stimmt nicht ganz. Irgendwann in der Oberliga habe ich mal eine rote Karte wegen einer Tätlichkeit bekommen. Aber soweit damit ein „konventionelles“ Foulspiel gemeint ist, kann ich das bestätigen. Ich versuche immer vorausschauend zu spielen, um eine foulträchtige Situation gar nicht erst entstehen zu lassen. Aggressiv gegen den Mann ist nicht so meine Spielweise.
Als Kapitän stehe ich natürlich auch für meine Mannschaft in besonderer Verantwortung. Ich kann nicht den mannschaftlichen Erfolg gefährden, indem ich in der 60. Minute vom Platz fliege, weil ich mir an der Mittellinie ein unnötiges Foul leiste. Andererseits heißt das nicht, dass ich immer zurückziehe. Ich habe schließlich auch schon die ein oder andere gelbe Karte gesehen. Die Entscheidung „Foul oder nicht“ hängt nicht zuletzt vom Spielstand ab. Wenn noch drei Minuten zu spielen wären und wir führen, dann würde ich in einer brenzligen Situation auch foulen. Ich versuche immer kühlen Kopf zu bewahren und Kosten gegen Nutzen abzuwägen. Wohlgemerkt versuche, denn manchmal ist man emotional zu verstrickt, ein anderes Mal foult man nach einer überraschenden Körperdrehung des gegnerischen Stürmers quasi „aus Versehen“.“
Du bist zeitweise auch als sicherer Elfmeterschütze in Erscheinung getreten…
„Ich hatte in der Regionalliga-Saison 2015/16 alle (fünf) verwandelt. Nach dem Abstieg in die Bayernliga habe ich zweimal verschossen und dann hatte ich keine Lust mehr (lacht). Im Ernst: Elfmeter schießen ist Kopf- und Überzeugungssache in Kombination mit Glück. Jede Serie geht einmal zu Ende. Nach zwei Fehlversuchen gehst du natürlich mit einem anderen Gefühl zum Punkt. Ich habe mich einfach nicht mehr so sicher gefühlt und habe dann lieber einen anderen schießen lassen. Schließlich geht es nicht um mich als Person, sondern um den Erfolg der Mannschaft. Man geht erst wieder zum Punkt, wenn man glaubt, das besten Gewissens verantworten zu können. So halten es die meisten Spieler. Auch ein Thomas Müller, beim FC Bayern lange Zeit ein todsicherer Elfmeterschütze, überließ nach einer Phase, in der er einfach nicht mehr getroffen hat, einem Mitspieler die Verantwortung. Übrigens: Am 17. Oktober letzten Jahres bin ich im Spiel gegen Schweinfurt wieder angetreten und habe getroffen.“
Seit wann bist Du eigentlich Mannschaftskapitän und wie kamst Du zu der Ehre?
„Das war, nachdem Markus Horr die Spielführerbinde freiwillig abgegeben hatte. Ich als sein Vize wurde dann von Werner Dreßel „befördert“. Unter Komljenovic war ich mal kurzfristig nicht Kapitän, weil wir uns nicht kannten. Entscheiden müssen in der Kapitänsfrage letztlich immer die Trainer. Ich war seither immer Spielführer und das hat auch nie jemand in Frage gestellt. Hätte aber jetzt ein Trainer gesagt, dass er einen andereren Kapitän will, wäre das für mich auch o.k. gewesen.“
Wie ist Dein Verhältnis zu Vize-Kapitän Daniel Cheron, der ja neben Dir die meiste Erfahrung besitzt und zusammen mit Dir seine fast 300 Spiele gemacht hat?
„Er sitzt in der Trainingskabine neben mir. Wir flachsen oft und ziehen uns auf, aber es weiß jeder, was er am anderen hat. Auf dem Spielfeld kommuniziere in erster Linie ich mit dem Team, denn allein schon aufgrund meiner zentralen Position habe ich den besseren Blick aufs Spiel. Daniel supported unheimlich viel außen rum, fungiert zum Beispiel als Kassenwart. Er kümmert sich um unheimlich viele Dinge, zu denen ich allein schon aus zeitlichen Gründen nicht komme. Er ist eine Riesenhilfe. Seine Stimme hat Gewicht und die Jungs hören auf ihn.“
Zu den früheren Mannschaftskameraden Markus Horr, Markus Wosiek und Matthias Fries sollst Du auch noch Kontakt haben. Von welcher Zeit rührt der her?
„Dazu gehören im Prinzip auch noch Steffen Bachmann und Sebastian Saufhaus. Das war damals die Phase, nachdem ich aus Darmstadt zurückkehrte. Mit ihnen zusammen habe ich den Absturz von der Oberliga in die Verbandsliga, den sofortigen Wiederaufstieg und die Qualifikation für die Regionalliga Bayern erlebt. Auch Markus Brüdigam und der später als Co.-Trainer fungierende Steffen Schrod sind noch zu erwähnen. Wir waren also schon eine größere Clique, deren Mitglieder sämtlich aus Aschaffenburg und Umgebung kamen und sich teilweise bereits seit der Jugend kannten. Wir haben nicht nur zusammen auf dem Fußballplatz gestanden, sondern auch unsere Freizeit miteinander verbracht. Giulio war bei mir in der Parallelklasse, den kenne ich schon seit 25 Jahren. Zu allen habe ich bis heute freundschaftlichen Kontakt.“
Du hast etliche Spieler bei der Viktoria kommen und gehen sehen. Wer war denn nun der talentierteste Spieler, mit wem hast Du Dich spielerisch gut verstanden?
„Der talentierteste Spieler war zweifellos Björn Schnitzer. Er stand mir auch vom Spielverständnis her nahe, ebenso wie Markus Horr.“
…und der härteste Hund?
„(überlegt) Das kann ich gar nicht beantworten. So einen richtigen „Drecksack“ hatten wir eigentlich nie im Team.“
Du stehst ja als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens schon fest im Berufsleben. Von wann bis wann war Dein Studium und wo hast Du was studiert?
„Ich habe von 2005 bis 2010 Wirtschaftsingenieurswesen an der Fachhochschule Aschaffenburg studiert. Als ich 2009 von den Lilien zur Viktoria zurückkehrte, schrieb ich gerade an meiner Diplomarbeit.“
Die FH Aschaffenburg steckte damals noch in den Kinderschuhen. Wie ließ sich das Studium an?
„Die Fachhochschule hatte damals schon einen guten Ruf. Das Studium hat mich sehr an eine Schule erinnert. Da war viel Präsenzunterricht angesagt. Ich habe seinerzeit noch ganz klassisch Diplom gemacht, heutzutage nennt sich das „Bachelor of Engineering“.“
Welches waren Deine einschneidendsten privaten Erlebnisse, seit Du zurück bei der Viktoria bist?
„Die Heirat mit meiner Freundin Svenja im Jahr 2017 und die Geburt unserer beiden Kinder Marie (2018) und Leo (2021).“
Abschlussfrage: Die Saison ist ja fast gelaufen. Hand aufs Herz: Würde es Dir nicht Spaß machen, noch ein Jährchen dranzuhängen?
„(lacht) Spaß würde mir das auf jeden Fall machen und das letzte Wort ist ja auch noch nicht gesprochen. Ich fühle mich auch noch fit genug dazu. Aber ich habe jetzt ein zweites Kind und die Prioritäten im Leben haben sich dadurch schon geändert und das wird sicher auch so weitergehen. Außerdem bin ich 37 Jahre alt. In den kommenden Wochen werde ich diese Frage zusammen mit meiner Frau abschließend erörtern… Von der Zeit her war die Regionalliga schon immer ein Ritt auf der Rasierklinge. Das geht alles, solange man Single ist. Mit Familie und Vollzeitjob ist das kaum stemmbar. Mit einem Kind habe ich das trotzdem noch hinbekommen, nicht zuletzt wegen des großen Verständnisses meiner Frau, bei der ich mich bei dieser Gelegenheit einmal besonders bedanken möchte.“
Na, das ist ja mal ein Schlusswort. Simon, wir danken Dir herzlich für Deine Mitarbeit an diesem Interview und wünschen Dir noch eine erfolgreiche Restrunde inklusive Play-offs und wer weiß, vielleicht ja sogar noch eine weitere Saison im Trikot der Viktoria. Und wenn nicht vielleicht irgendwann, wenn die Corona-Gespenster weichen, ein Simon-Schmidt-Abschiedsspiel der Viktoria-All-Stars (frühere Mannschaftskameraden) gegen das aktuelle Team am Schönbusch? Wäre doch eine tolle Idee und verdient hätte es der Simon allemal.
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Stand: 5. April 2021 / Verfasser: Wolfgang Fleischer & Moritz Hahn
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