Viktoria-Vereinsikonen wie Heinz Budion, Hubert Staab und Ernst Lehner kennen viele wenigstens vom Hörensagen. Aber höchstens die rar gewordenen Zeitzeugen wissen noch, dass ein Spieler namens Rudolf (Rudi) Hoffmann zum Stamm der legendären Viktoria-Mannschaft gehörte, die in den 50er Jahren in der damals erstklassigen Oberliga Süd Furore machte? In der Vereinschronik auf den Mannschaftsfotos jener Jahre ist es abgebildet, das 1935 geborene Defensivtalent, das bei der Viktoria seinen Durchbruch schaffte und hier auch die Aufmerksamkeit des legendären Weltmeistertrainers Sepp Herberger erregte. Hoffmann war neben den drei oben Genannten sowie dem erst im September dieses Jahres verstorbenen Hans Neuschäfer der Fünfte im Bunde der Viktoria-Nationalspieler aus dieser Epoche und mit ihm ist jetzt auch der Letzte dieses Quintetts verstorben. Wir wollen an Rudolf Hoffmann erinnern, indem wir seinen sportlichen Weg – eine typische Nachkriegs-Fußballerkarriere – nachzeichnen, wie sie typisch für die goldene Generation der Viktoria in den 50ern war.
In jungen Jahren kickte Rudi Hoffmann bei seinem Heimatverein FC Östringen (Nordbaden). Verwandtschaftliche Beziehungen brachten den 17-Jährigen nach Aschaffenburg, wo er sich der damals in der Oberliga Süd spielenden Viktoria anschloss. Sein Debüt als Aktiver im weiß-blauen Trikot gab er am 31. Januar 1954 beim Auswärtsspiel in Schweinfurt (1:6). Im Verlauf dieser Runde, die mit dem Abstieg der Viktoria in die 2. Liga Süd kein gutes Ende nahm, kam er noch sechs weitere Male zum Einsatz. Doch dem SVA glückte als Vizemeister der 2. Liga die sofortige Rückkehr in das Fußball-Oberhaus.
Die nun folgende Spielzeit 1955/56 darf als die erfolgreichste in der Viktoria-Historie verbucht werden, denn das von Ludwig Janda gecoachte Team belegte in der Endabrechnung einen überragenden fünften Platz in der damaligen Eliteliga. Mit 26 Einsätzen war der gerade einmal 20 Lenze zählende Hoffmann zwischenzeitlich zu einer tragenden Säule des Viktoria-Spiels geworden und fand als solche auch den Weg in den Notizblock des Weltmeister-Trainers Sepp Herberger. Unter diesem hatte er in den Jahren 1954 und 1955 Nationalmannschaftskurse absolviert und sich beim Länderspiel der B-Nationalmannschaft gegen England (1:1) für höhere Aufgaben empfohlen. Das alles mündete schließlich in sein erstes und einziges A-Länderspiel, das er am 28. Mai 1955 beim 2:1-Sieg gegen Irland im Hamburger Volksparkstadion bestritt. In der B-Nationalmannschaft brachte er es auf fünf Einsätze, in der Amateurnationalmannschaft auf deren vier. Mit den Amateuren nahm er auch im Jahre 1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne teil, wo bereits im ersten Spiel – 1:2 gegen den späteren Turniersieger Russland – Endstation war. Bei der WM 1958 in Schweden wurde Hoffmann von Sepp Herberger ins Aufgebot der Nationalmannschaft berufen, allerdings als einer von vier Spielern auf Abruf zu Hause, wovon Herberger letztlich aber keinen Gebrauch machte. Noch eines kann sich „Rudi“ ans Panier heften: Er gehört zum erlauchten Kreis der 20 Nationalspieler, die in allen vier großen Teams des DFB standen, als da sind: A-, B-, Amateur- und Junioren-Nationalelf.
Im Verein war Hoffmann derweil weiterhin erfolgreich. In der Oberliga-Saison 1956/57 stand er 27-mal für den SVA auf dem Platz und erzielte drei Tore. Die Runde schloss die Viktoria als Achter ab. Für die kommende Spielzeit hatte sich schon Liga-Konkurrent VfB Stuttgart die Dienste des Aschaffenburger Abwehrspezialisten gesichert. Die Schwaben sollten an ihrer Neuverpflichtung jedoch erst einmal keine Freude haben, denn Hoffmann wurde von einer „alten Sache“ eingeholt, die ihm eine zehnmonatige Sperre wegen „Verstoß gegen das Vertragsspielerstatut“ einbrachte. Es war nämlich ruchbar geworden, dass er bei der Viktoria „Geld unter der Hand“ bekommen hatte. (Wo doch jeder weiß, dass dieses am Schönbusch auf den Bäumen wächst…) Das wiederum vertrug sich nicht mit seiner Zugehörigkeit zur Amateur-Nationalmannschaft, genauso wenig mit der olympischen Idee, ob nun in Melbourne oder anderswo. Wenigstens hing man damals noch dieser Überzeugung an…
Leidtragende waren ausgerechnet die sparsamen Schwaben, für die ihr Investment wenigstens in der ersten Saison eine unbefriedigende Rendite abwarf. Aufgrund der Sperre absolvierte Hoffmann nur zwei Ligaspiele (Debüt am 6. April 1958) für den VfB. Hoffmann war dann aber mit von der Partie, als die Schwaben nach Beendigung der Saison 1957/58 Pokalgeschichte schrieben. Nach dem Gewinn des Süddeutschen Pokals zog man in die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals ein und biss sich dort bis ins Finale durch. Dieses fand am 16. November 1958 im Kasseler Auestadion vor 28.000 Zuschauern gegen Fortuna Düsseldorf statt. Der VfB setzte sich mit 4:3 nach Verlängerung durch und holte sich zum zweiten Mal den begehrten Pokal. Hoffmann blieb anschließend noch zwei Spielzeiten beim VfB und brachte es am Neckar auf insgesamt 56 Oberligaspiele, also geringfügig weniger als am Schönbusch. Von 1960 an hielt er drei Jahre beim Südwest-Oberligisten FK Pirmasens die Schotten dicht. Bei den Pfälzern kamen weitere 61 Oberligaspiele auf „Rudis“ Konto. Im Alter von 28 Jahren verabschiedete er sich vom höherklassigen Fußball und wechselte zum rheinland-pfälzischen Klub FC Rodalben (1. Amateurliga Südwest). Nach weiteren zwei Jahren kehrte er nach Östringen zurück, wo er 1968 seine sportliche Laufbahn beendete.
Mehr als fünf Dekaden später hat „Rudi“ nun auch seine irdische Laufbahn vollendet. Dass ihn der an Fußballikonen jüngeren Datums nicht gerade arme VfB in einem kurzen Nachruf gewürdigt hat, zeigt, dass er auch am Neckar seine Spuren hinterlassen hat. Auch vom Schönbusch, wo alles begann, ein großes Dankeschön an Rudolf Hoffmann für seine sportlichen Verdienste um den SVA und herzliches Beileid den Angehörigen. Wir geloben, den gerade noch einmal frisch in Erinnerung Gerufenen für immer im kollektiven Vereinsgedächtnis zu behalten.
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Stand: 24. Oktober 2020 / Verfasser: Wolfgang Fleischer & Moritz Hahn
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