Auch im Gartencenter hört man zuweilen die Frage: Sammeln Sie Punkte? / Jochen Seitz fordert kontrollierte Offensive
Es gibt Spiele, in denen ein Hauch von Nostalgie mitschwingt. Ein solches findet am Freitag (18.15 Uhr) statt, wenn die gastgebende Viktoria im Stadion am Schönbusch auf den Aufsteiger TSV Rain am Lech trifft. Wir erinnern uns: Am 21. Juni 2012, also vor gut sieben Jahren, weilten die Schwaben zum ersten Mal als Gast am Schönbusch. Es war der allererste Auftritt der Weiß-Blauen in der damals neu gegründeten Regionalliga Bayern. Die Zeichen standen damals auf Aufbruch, hellhörigere Naturen vermeinten sogar schon ein leises Klopfen an das Tor zur 3. Liga zu vernehmen. Da fügte sich der 2:0-Auftaktsieg gegen die Schwaben natürlich prächtig ins Bild und irgendwie schien für einen kurzen Moment alles möglich.Die Regionalliga Bayern, damals als Durchgangsstation gedacht, ist der Viktoria längst zur geliebten Heimat geworden. Heute klopft man am Schönbusch auf Holz, wenn man als gestandener Regionalligist firmieren kann. Das gilt natürlich auch für den Gast aus der Blumenstadt, der sich freilich nie mit höheren Ansprüchen getragen hat.[caption id="attachment_21091" align="alignleft" width="600"]
Gegen den TSV Rain/Lech peilt die Viktoria den dritten Heimsieg der Saison an (© Moritz Hahn)[/caption]Im Übrigen steht uns der TSV Rain näher als wir anfangs wahrhaben wollten. Seit dem Erstkontakt weist die sportliche Vita beider Vereine auffällige Parallelen auf, die lebhaften Ausschläge der Leistungskurven sind fast deckungsgleich und dokumentieren eine ausgeprägte Vorliebe für Berg-und-Tal-Fahrten. So erreichten beide Vereine im Premierenjahr ihr Minimalziel Klassenerhalt, der TSV auf Platz 13, die Viktoria wurde 15. Die zweite Regionalliga-Spielzeit wurde für beide Teams zum Fiasko, deutlich abgeschlagen teilten sie sich in das Schicksal des Direktabstiegs. In der folgenden Spielzeit wurden beide Teams in ihren Bayernliga-Staffeln Meister und stiegen somit sofort wieder in die Regionalliga auf. Doch auch in der Spielzeit 2015/16 gab es kein Happy-End: Die Blumenstädter stiegen als Schlusslicht sang- und klanglos direkt ab, die Viktoria machte als Tabellen-15. und Relegationsteilnehmer etwas mehr Lärm, aber letztlich mit dem gleichen Ergebnis. Dieses Mal war die Viktoria allerdings etwas schneller als ihr „sportlicher Schatten“. Nachdem sie sich in der Spielzeit 2017/18 zum Bayernliga-Meister kürte, darf sie seit der letzten Saison wieder in der Regionalliga antreten. Die Schwaben zogen erst in der vergangenen Saison nach und machten den Aufstieg über Tabellenplatz zwei in Verbindung mit Relegation perfekt.Dreimal war der TSV Rain bisher zu Gast, dreimal blieben die Punkte am Schönbusch. Im bisher letzten Aufeinandertreffen am 26. Spieltag der Saison 2015/16 siegte die Viktoria zu Hause knapp mit 1:0. Umgekehrt konnte der TSV zwei seiner drei Heimspiele gegen die Viktoria gewinnen, einmal behielten die Weiß-Blauen die Oberhand (3:0 in der Spielzeit 2013/14).[caption id="attachment_21159" align="alignright" width="300"]
Viertes Heimspiel der Saison 2019/20.[/caption]In ihrer insgesamt vierten gemeinsamen Spielzeit haben die Schwaben aus sechs Spielen bisher sechs Punkte gesammelt, die Viktoria deren sieben. Die aus der Vergangenheit an die Tabellenniederungen der Regionalliga ausgiebig gewöhnten Gäste hatten zuletzt drei Niederlagen zu beklagen, die letzte im Nachholspiel am vergangenen Dienstag gegen den Tabellenführer Fürth. Durch ein Tor in der Nachspielzeit verlor man äußerst unglücklich 0:1.
Die gute und die böse Null…
Dem derzeitigen Tabellenführer musste sich auch die Viktoria am vorletzten Spieltag mit 0:2 beugen, in der ersten Halbzeit klar unterlegen und ohne Zugriff aufs Spiel, in der zweiten Halbzeit stark verbessert, aber mit ihrer Abschlussschwäche hadernd. Eine Woche später beim 0:0 in Burghausen präsentierte sich die Viktoria defensiv mit einer ordentlichen Leistung.
„Wenn man zu Null spielt, so lässt sich daran ablesen, dass man im Defensivverbund vieles richtig gemacht hat. Alles kann man nicht verhindern gegen solche Mannschaften, aber wir haben das eingegrenzt“, stellt Jochen Seitz seinem Team in Sachen Torverhinderung ein gutes Zeugnis aus. Anders sieht es freilich mit der Chancenverwertung aus. Die sei, wie schon gegen Fürth,
„nicht so toll“ gewesen.
„In der zweiten Hälfte hätten wir eigentlich ein oder zwei Tore schießen müssen. Da müssen wir uns noch verbessern“, gehen dem Viktoria-Coach die Themen nicht aus.
Jochen Seitz erwartet tief stehende Schwaben
„Neuland“ ist für Jochen Seitz der kommende Gegner Rain, was aber nicht heißt, dass er sich nicht umfänglich informiert hat:
„Ich habe mir die letzten zwei Spiele von Rain angeschaut, vor allem das letzte gegen Greuther Fürth (0:1), das sie offen gestalten konnten. Sie standen in dem Spiel sehr defensiv und man hat gesehen, dass sie speziell in diesem Mannschaftsteil Qualität haben. Auch gegen uns werden sie wohl zunächst ihr Heil in der Defensive suchen. Da liegt es an uns, offensiv Lösungsmöglichkeiten zu finden, ohne unsere Abwehr zu vernachlässigen. Gemeinhin nennt man diesen Spagat kontrollierte Offensive.“Gerade die Wundertüte Regionalliga, in der jeder jeden schlagen kann, macht eine Mannschaft vom Schlage des TSV Rain am Lech zu einem, so Jochen Seitz,
„gefährlichen Gegner“.Mit der zweifellos vorhandenen Erwartungshaltung gilt es dabei konstruktiv umzugehen:
„Alle denken, dass wir gegen die gewinnen müssen. Meistens tun wir uns da besonders schwer. Wir müssen sehen, dass wir unser Spiel durchziehen und vorne endlich der Knoten platzt. Dann bin ich guter Dinge, dass wir dieses Heimspiel gewinnen.“Fifty shades of yellow
Dem aus den Langzeitverletzten Lucas Oppermann, Ugurtan Kizilyar, Roberto Desch und Michél Harrer bestehenden Lazarett der Viktoria wieder hinzugesellt hat sich Jonas Fritsch, der im Training umgeknickt ist. Kevin Wittke fehlt am Freitag aus privaten Gründen, Benjamin Baier wegen seiner zu diesem frühen Zeitpunkt rekordverdächtigen fünften gelben Karte. Jochen Seitz widerlegt die Diagnose „Gelbsucht“ bei unserer Nummer 10 mit einem differenzierten Gegengutachten:
„Benni ist im zentralen Mittelfeld zu Hause, das ist eine Zone, in der man schon öfter mal in Versuchung kommt, einen gegnerischen Konter zu unterbinden. Natürlich ist er auch ein aggressiver Spieler, der gerne in die Zweikämpfe reingeht. Überdies sind die Schiedsrichter in dieser Saison zu einer strengeren Regelauslegung angehalten.“ Der Coach ist aber sicher, jemanden zu finden, der am Freitag für Benni in die Bresche springt, spielerisch und – bei ungehörigen Konteraktionen – auch beim Griff des Schiedsrichters in die Tasche…
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