Lage der Liga (Teil 2 von 2): Maurer-Schützlinge verteidigen Bastion München gegen den Ansturm der vereinigten fränkischen Truppen / Viktoria Aschaffenburg als Überraschungsmannschaft in spe
Auch die achte Auflage der Regionalliga Bayern kann mit einer Novität aufwarten: Erstmals diktiert mit Türkgücü München ein finanzstarker Aufsteiger das Geschehen. Dabei profitieren die Türken sicherlich auch davon, dass mit dem FC Bayern München II ein namhafter Konkurrent aufgestiegen und kein Profiverein aus der 3. Liga in die Regionalliga Bayern abgestiegen ist. Die Liga wurde dadurch ein Stück weit „familiärer“, eine Atmosphäre, in der vor allem die beiden Traditionsvereine SpVgg. Bayreuth und Viktoria Aschaffenburg sportlich gut gediehen.Der mit großen Vorschusslorbeeren in die Runde gestartete Aufsteiger Türkgücü München fand sich nach den dem gigantischen personellen Umbruch geschuldeten Anlaufschwierigkeiten immer besser in seiner Favoritenrolle zurecht. Die letzte Saisonniederlage des Teams von Coach Rainer Maurer rührt vom 14. September 2019 her (0:1-Heimniederlage gegen den VfB Eichstätt), seither haben die Türken mit 31 Zählern aus 11 Partien nahezu die volle Punktzahl abgeräumt und sind der Konkurrenz auf mittlerweile acht Punkte enteilt.[caption id="attachment_21113" align="alignleft" width="600"]
2. Spieltag: In einer umkämpften Partie konnte Viktoria Aschaffenburg dem SV Türkgücü München lange Paroli bieten (© Moritz Hahn)[/caption]
„Verfolgerfeld“ als One-Team-Show
Die „Konkurrenz“, sofern von einer solchen überhaupt noch zu sprechen ist, besteht nur aus einem Team, dem ebenfalls mit Meisterschaftsambitionen angetretenen 1. FC Schweinfurt 05, der Gefahr läuft, im dritten Jahr in Folge das große Ziel Meisterschaft und Aufstieg in die 3. Liga zu verpassen. Das vom großen Rivalen FC Würzburger Kickers abgekupferte Projekt „3x3 – in drei Jahren in die 3. Liga“ droht dem hohen finanziellen Aufwand zum Trotz endgültig Schiffbruch zu erleiden.[caption id="attachment_21669" align="alignleft" width="600"]
8. Spieltag: Der 1. FC Schweinfurt 05 (hier Marco Fritscher im Duell mit Daniel Cheron) ist als einer der Mitfavoriten in die Saison gestartet (© Moritz Hahn)[/caption]Man fühlt sich ein bisschen an die Geschichte mit dem Fuchs und den Trauben erinnert, wenn in der lokalen Presse für den Fall eines Scheiterns der Meisterschaftsträume mit einem Artikel unter der Überschrift „Ein Trost für den FC 05: Vielleicht ist die 3. Liga ab 2020 ja total langweilig...“ schon mal vorab etwas Balsam auf die Wunden gestrichen wird. Auch die finanzielle Schieflage der meisten Drittliga-Vereine wird argumentativ ins Feld geführt – ein Tatbestand, der den generell aufstiegswilligen Schnüdeln freilich schon vorher bekannt gewesen sein dürfte. Eines bleibt immerhin unwidersprochen: So viele fränkische Derbys wie in der Regionalliga Bayern wird der FCS in der 3. Liga mit Sicherheit nicht haben. Seit Tobias Strobl Anfang November den entlassenen Coach Timo Wenzel beerbte, haben die Schnüdel die letzten vier Spiele vor der Winterpause gewonnen und damit den zweiten Platz festigen können. Der Abstand zum Drittplatzierten beträgt komfortable fünf Punkte. Der Blick nach oben muss gleichwohl desillusionieren. Wenn auch noch ein Fünkchen Hoffnung glimmt – der Acht-Punkte-Rückstand auf Tabellenführer Türkgücü ist in den verbleibenden zwölf Saisonspielen schwerlich aufzuholen, vor allem angesichts der konstanten Leistungen des Aufsteigers und der eigenen gelegentlich auftretenden Launenhaftigkeit.[caption id="attachment_22424" align="alignleft" width="600"]
Viktoria Aschaffenburg rangiert nach 22 Spieltagen der Saison 2019/20 mit 38 Punkten auf Platz 5 der Regionalliga Bayern (© Marian Hartmann)[/caption]
Viktoria überrascht bislang positiv
Mit der Club-Reserve auf Rang drei beginnt eigentlich schon das vordere Mittelfeld, dichtauf mit zwei Punkten Abstand folgen zwei weitere fränkische Aushängeschilder. Da ist zum einen – wenig überraschend – die vor der Saison als Geheimfavorit gehandelte SpVgg. Bayreuth, zum anderen – einigermaßen überraschend – die Aschaffenburger Viktoria, die punktgleich mit der Altstadt den fünften Platz belegt und mit 38 Punkten das Thema „Abstieg“ quasi schon ad acta gelegt hat. Noch nie stand die Schönbusch-Elf zur Winterpause tabellarisch besser da und hat damit die große Chance, ihre mittlerweile fünfte Regionalliga-Bayern-Saison zu ihrer bisher besten werden zu lassen. Vorausgesetzt, das Team von Jochen Seitz vermag seine bisher gezeigten Leistungen auch in der Saison-Endphase abzurufen und bleibt von einem Einbruch wie im Vorjahr verschont. In diesem Fall haben es die Weiß-Blauen durchaus in der Hand, sich im Finish noch um ein, zwei Plätze zu verbessern, womit ihnen der Titel „Überraschungsmannschaft der Saison“ sicher sein sollte. Bezüglich dieses Titels würde man den VfB Eichstätt beerben, der in der Vorsaison sein erst zweites Jahr in der Viertklassigkeit mit einem überragenden Vizemeistertitel krönte.[caption id="attachment_22082" align="alignleft" width="600"]
18. Spieltag: Gegen die SpVgg. Bayreuth konnte die Viktoria in dieser Saison 4 Punkte holen(© Moritz Hahn)[/caption]An der Altmühl war man sich darüber im Klaren, dass sich dieser Coup wohl schwerlich wiederholen lassen würde. Gleichwohl bleibt das Team von Markus Mattes auch in der Saison 2019/20 in der Erfolgsspur und widerlegt mit einem soliden sechsten Platz nachdrücklich die Eintagsfliegen-Theorie. Auf den nächsten Plätzen folgen in knappen Abständen die Kleeblatt-Reserve, Kultclub und Regionalliga-Urgestein TSV Buchbach sowie der sich bislang stark präsentierende Aufsteiger TSV Aubstadt. Das Team aus dem Grabfeld auf Rang neun (32 Punkte) markiert nicht nur das Ende der oberen Tabellenhälfte, sondern auch das eines von Abstiegssorgen weitestgehend freien Mittelfelds. Dieses beginnt eigentlich schon mit dem Tabellendritten Nürnberg II (40 Punkte).
Obere Tabellenhälfte fest in fränkischer Hand
Als eine wichtige Erkenntnis bleibt festzuhalten: Zwar ist der (designierte) Meister Türkgücü München auch dieses Mal wieder im Süden des Bundeslandes zu verorten – einzige Ausnahme bisher waren übrigens die Würzburger Kickers in der Saison 2014/15 – , insgesamt aber sticht beim Blick auf die obere Tabellenhälfte die Prävalenz der fränkischen Vereine ins Auge. Allein sechs der neun Vereine residieren jenseits des Weißwurst-Äquators. Das ist eine bemerkenswerte Umkehr der in den vorangegangenen sieben Spielzeiten bestehenden Kräfteverhältnisse, gemäß denen die Vereine aus dem Süden des Freistaats mehrheitlich in der oberen Tabellenhälfte anzutreffen waren. Ob dieses Tabellenbild eine Ausnahmeerscheinung darstellt oder ob sich hier ein neuer Trend anbahnt, bleibt freilich abzuwarten.
Stand: 18. Februar 2020 // Wolfgang Fleischer & Moritz Hahn
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