Tabellenführer Burghausen nach Reamateurisierung mit neuem Leichtigkeitsgefühl – Jochen Seitz hat Automatismen des „Werkclubs“ im Visier
Die Hausnummern, die die Viktoria derzeit im Rahmen ihrer Auswärtsspiele abklappern muss, sind wirklich nicht von Pappe. Nach dem Schweinfurter Willy-Sachs-Stadion ist am Freitag (19 Uhr) die Burghausener Wacker-Arena der nächste Schauplatz, der vom Renommee her nicht unbedingt für Punkte garantiert. Zwar haben die Gastgeber am letzten Spieltag mit einer 1:3-Niederlage beim VfR Garching ihre zuvor blütenreine Weste verloren, nicht aber die Tabellenführung, da Verfolger Schweinfurt die Gunst der Stunde nicht nutzen konnte und in Augsburg nur 1:1 spielte.Wacker-Coach Wolfgang Schellenberg, seit Beginn dieser Saison beim Ex-Zweitligisten am Ruder, wollte die Auftaktserie von fünf Siegen in Folge ohnehin nicht überbewertet wissen, denn noch vor der Niederlage in Garching äußerte er sich wie folgt: „Es ist schon so, dass man vor einer erfolgreichen Mannschaft als Gegner mehr Respekt hat, aber gleichzeitig ist das auch Motivation für den Gegner. Insofern haben Serien wenig zu sagen.“[caption id="attachment_13661" align="alignleft" width="600"]
Die Viktoria reist zum zweiten Mal nach 2015/16 zum SV Wacker Burghausen.[/caption]Wenn er auch neu beim Chemie-Club ist, so weiß der frühere Juniorentrainer in namhaften Clubs (zuletzt U19 der Löwen) um die jüngere Vergangenheit des Vereins. So geriet man in der Vorsaison sogar vorübergehend in Abstiegsgefahr, konnte aber, nachdem man im Saisonendspurt die Trainerpferde wechselte, die Runde doch noch auf dem neunten Platz beenden. Der Abstieg in die Bayernliga wäre freilich der absolute Tiefpunkt gewesen eines Vereins, der Anfang des Jahrtausends fünf Spielzeiten in der Zweiten Liga beheimatet war (Coach u. a. Rudi Bommer) und im Anschluss bis einschließlich der Spielzeit 2013/14 in der neu gegründeten 3. Liga spielte. Die Hoffnung einer Rückkehr in das zweite Fußball-Oberhaus sollte sich nicht erfüllen, obwohl sich einige namhafte Ex-Profis auf der Trainerbank an dieser Aufgabe versuchten. Im Gegenteil: An Ende stand der Abstieg in die Regionalliga Bayern. Einem in den ersten beiden Spielzeiten (2014/15 und 2015/16) weiterhin unter Profibedingungen arbeitenden Team gelang es nicht, den Betriebsunfall zu korrigieren und den Wiederaufstieg in den Profibereich (3. Liga) zu realisieren.Zur Saison 2017/18 erfolgte als Konsequenz der gleichermaßen aufwendigen und fruchtlosen Bemühungen eine Abkehr vom Profi-Fußball und Rückkehr zum Feierabend-Fußball. Als
„eine Zäsur, die längst überfällig ist“, bezeichnet Hans Steidl, der als Burghausener Stadtoberhaupt auf eine 25-jährige Amtszeit zurückblicken kann und gleichzeitig als „Architekt des Burghausener Wunders“ Wacker-Vereinsgeschichte schrieb, diesen Schritt. Man steuere sonst auf ein Riesen-Defizit zu, das nicht aufzufüllen sei, rechtfertigte Steidl die Umstellung auf Amateurbetrieb. Dies hatte auch personelle Konsequenzen, denn der seinerzeitige Coach Uwe Wolf, der Wacker seit der letzten Drittliga-Saison betreute, wollte den Weg augenscheinlich nicht mitgehen. Da die Chemie mit den Vereinsoberen nicht mehr stimmte, wurde er im März 2017 von seinen Tätigkeiten entbunden. Es übernahm Patrik Mölzl, ehe zuletzt der frühere U19-Coach und jetzige Co-Trainer Ronald Schmidt in den letzten sechs Spielen der Vorsaison den Klassenerhalt in trockene Tücher brachte.Keine Selbstverständlichkeit also, was Schellenberg in den sechs Spielen seit seinem Amtsantritt als Bilanz vorweisen kann. Schließlich will sich der Club – mit nahezu 6.000 Mitgliedern einer der größten Vereine Deutschlands – wieder mehr auf den Breitensport ausrichten und sieht sich nach eigener Definition mittlerweile auf einer Ebene mit lupenreinen Amateurvereinen wie etwa Schalding-Heining, Buchbach oder eben auch der Viktoria.
Jochen Seitz: „Wir treffen auf eine eingespielte Mannschaft“
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Neuzugang Michél Harrer[/caption]Der SVA nähert sich nach einem erfreulichen Saisonstart allmählich wieder Tabellengefilden jenseits der Komfortzone an. Von einer Krise im eigentlichen Sinne will Jochen Seitz gleichwohl nicht reden, vielmehr spricht er von einer „Ergebniskrise“, was er nicht als Alibi verstanden wissen möchte, sondern als Aufgabenstellung für die Zukunft:
„Die Jungs müssen einfach lernen, sich für den betriebenen Aufwand zu belohnen.“ Ob dieses Vorhaben schon in der Wacker-Arena in die Tat umgesetzt werden kann, muss freilich angesichts der Bände sprechenden Tabellensituation dahingestellt bleiben, doch übt sich Jochen Seitz nach ausgiebiger Analyse der Stärken und Schwächen der Oberbayern in leiser Zuversicht:
„Burghausen hat jetzt nicht die individuelle Klasse von Schweinfurt, funktioniert als Team allerdings außerordentlich gut. Sie sind jetzt sechsmal mit der gleichen Anfangsformation aufgelaufen und von Verletzungspech bisher verschont geblieben. Momentan passt es sehr gut bei denen. Wir wissen, dass wir auf eine eingespielte Mannschaft treffen, die wir nur stoppen werden, wenn wir uns auf deren Automatismen einstellen. Wir hoffen, dass wir nach der langen Busfahrt dort ein gutes Spiel abliefern. An- und Rückreise erfolgen am Freitag, das heißt wir fahren am Freitag um 11 Uhr los und kommen am Samstagmorgen so um 4 oder 5 Uhr wieder in Aschaffenburg an.“Die „längste Burg der Welt“ kann nur über Attacke eingenommen werden
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Björn Schnitzer[/caption]Im Gegensatz zu ihrem Auftritt in Schweinfurt will die Viktoria in der Wacker-Arena die Gastgeber auch durch die eine oder andere Offensivhandlung beschäftigen, schon um Dauerdruck und einen womöglich wieder einmal späten Kollaps zu vermeiden. Auch wenn, wie Jochen Seitz betont, die Offensive der Viktoria infolge der personellen Situation noch längst nicht im Vollbesitz ihrer Durchschlagskraft ist:
„Die offensiven Hoffnungen ruhen derzeit ausschließlich auf unserem Neuzugang Michél Harrer. Mit Björn Schnitzer und Lucas Oppermann fehlen weiterhin wichtige Akteure, von daher ist das immer noch nicht optimal. Harrer kann uns aber mit seiner Erfahrung auf jeden Fall weiterhelfen. Er ist jetzt eine Woche hier, da muss man sich kennen lernen und die Laufwege aufeinander abstimmen. Was die Marschroute angeht: Wir wissen, dass wir in Burghausen kompakt stehen müssen, werden aber auch in der Offensive unsere Chance suchen.“Eine baldige Rückkehr von Björn Schnitzer ins Team schließt Jochen Seitz aus:
„Er wird auf unabsehbare Zeit nicht ins Spielgeschehen eingreifen können, da er immer noch mit den gleichen Schmerzen zu kämpfen hat wie am Anfang.“ Im Fall Lucas Oppermann besteht hingegen „leise Hoffnung“, dass er in ein, zwei Wochen einsteigen kann. Des Weiteren wird in Burghausen mit Sicherheit Ugurtan Kizilyar fehlen sowie „unter Umständen“ der in Kürze Vaterfreuden entgegenblickende Daniel Cheron.
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